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Nachtlandschaften, 2004
Landschaftsfotografie ist eines der beliebtesten
Spezialgebiete der Fotografie. Eine ganze Sparte in der Verlags- und
Druckindustrie überhäuft uns mit einer Vielzahl von Kalendern,
Büchern, Postkarten von jedem Winkel dieser Erde zu jedem möglichen
Thema. Eine Heerschar von Fotografen beliefert uns mit immer neuem Bildmaterial.
Reisende Diasshows, eigentlich ein Relikt einer vordigitalen Zeit, finden
immer noch ihr Publikum.
Die Wurzeln dieser Entwicklung mögen in der Romantik des 19.Jahrhunderts
begründet liegen. Genannt seien die idealisierenden Landschaftsdarstellungen
Caspar David Friedrichs als unmittelbarer Ausdruck romantischen Welterlebnisses.
Es scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, in einer durchorganisierten
und von seiner Art radikal veränderten Umwelt, sich ein Gegenbild
zu schaffen, das ein Gefühl von Unberührtheit und Unversehrtheit
der ursprünglichen Lebensumgebung vermittelt. Vielleicht resultiert
dieses Streben aus der Ahnung heraus, wie weit sich der Mensch von diesem
Idealbild bereits entfernt hat; das verlorene Paradies, das nicht wieder
hergestellt werden kann.
In idealer Weise dient die Landschaftsfotografie als Projektionsfläche
für diese Bedürfnisse. Es scheint, als ob der Betrachter bei
keinem anderen Gebiet der Fotografie so bereitwilig die Übereinstimmung
von Realität und Abbildung annimmt. Dabei ist offensichtlich, wie
wenig diese These zu halten ist, wie wenig objektiv gerade Landschaftsfotografie
sein kann. Denn sie ist immer das Resultat desjenigen, der sie macht
und des Betrachters, die beide ihre eigene Vorstellungswelt, Gefühle
und Bedürfnisse in die Fotografie legen. Die Bildaussage kann mit
Mitteln wie Auswahl des Standpunktes, der Tageszeit, des Filmmaterials,
der Filter oder digitale Mittelin jede Richtung verändert werden.
Bestimmte Stilmittel vermögen geradzu reflexhaft bestimmte Stimmungen
zu erzeugen. Trotzdem hat die Landschaftsfotografie ihren geschätzten
Stellenwert behalten. Anders als z.B. im Bildjournalismus, wurde die
Frage der Diskrepanz zwischen Realität und Abbildung erst wenig
untersucht.
Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht der Versuch, diesen Glauben an Natürlichkeit,
Authenzität und Unberührtheit zu hinterfragen. Mittels künstlicher
Ausleuchtung verwandele ich die Szenerien in eine Bühnenlandschaft.
Was wild und unberührt nur durch die Natur beeinflußt erscheint,
wird zur detailiert geplanten Inszenierung. Das "unnatürliche"
Licht, das in der Natur unmöglich ist, erhellt den Blick darauf,
daß die fotografische Abbildung in der Landschaftsfotografie immer
der Ausdruck des Strebens nach der Ursprünglichkeit ist, und den
Wunsch des Menschen bedient, in das verlorene Paradies zurückzukehren.
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